Wie Leistungsstark muss ein PC-Netzteil heute sein?

Seite 3: PC-Stromversorgung im Wandel der Zeit

ATX
Bis ca. 1999 war alles viel einfacher: Die Leistungsaufnahme von CPU und Grafikkarte waren so gering, dass sie ausschliesslich über den 20poligen ATX-Stecker versorgt und im Grunde vernachlässigt werden konnten. Hauptverbraucher waren die Laufwerke und mit den damals normalerweise etwa 200-250W starken Netzteile konnten so viele Laufwerke betrieben werden, wie eben Anschlüsse und Platz im Gehäuse vorhanden war. Es gab keinen Grund, ein stärkeres Netzteil einzubauen.

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ATX 12V
Mit dem Überschreiten der 1GHz-Grenze erlangte der Stromverbrauch der Prozessoren mehr und mehr an Bedeutung. Mit dem Pentium 4 (Nennverlustleistung „TDP“ zwischen 47 und 115W) führte Intel die Versorgung der CPU über die 12V Leitung ein, mittels eines eigenen Steckers. Der Stecker nennt sich 2x2 oder P4 (letzteres kommt weniger vom Wort „Pentium 4“ als vielmehr von der Anzahl Anschlusshülsen, lässt sich aber deswegen leichter merken und wurde daher geläufiger).

Die 2002/2003 erschienen Grafikkarten von ATI (Radeon 9700) und nVidia (GeForce 5800) stieg auch der Stromverbrauch der Grafikkarten so stark an, dass die maximal 30W des normalen AGP Steckplatzes nicht mehr immer ausreichten. Der AGP-Pro Steckplatz, der etwas länger war, hätte zwar Leistungen bis über 100W bereitstellen können, war jedoch zu schwach verbreitet um von den Grafikkartenherstellern in diesem Marktsegment berücksichtig zu werden. So kam es, dass auch die Grafikkarten teilweise einen eignen Stromanschluss benötigten. Die ersten entsprechenden Karten begnügten sich dabei noch mit einem Floppy-Stecker, die letzten High-End-Karten auf AGP-Basis jedoch hatten eine Leistungsaufnahme von um die 100W und verlangten nach bis zu zwei 5.25“ Laufwerkssteckern von getrennten Kabelsträngen. Viele ältere Netzteile kamen bei der Kombination eines leistungshungrigen Hauptprozessors mit einer ebensolchen Grafikkarte damit erstmals an die Grenzen. Von den Grafikchip-Herstellern wurden Netzteile mit einer Nennleistung zwischen 350 und 400W empfohlen.

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ATX 2.0 Die Sache mit den 12V-Schienen
Mit der Einführung neuer Chipsätze im Jahre 2004 begann auch der grosse Umstieg von PCI/AGP auf PCI-Express. Der Hauptvorteil von PCI-Express liegt in erster Linie in der höheren, bidirektionalen Datenrate und der Hot-Plug-Fähigkeit. Wenn schon eine neue Hardware-Schnittstelle, so wollten Intel und Konsorten sich auch gleich dem Problem mit dem Stromhunger von Grafikkarten annehmen und dies wenn möglich ein für allemal lösen. Ein PEG-Steckplatz (PEG = PCI-Express Grafik) kann der Grafikkarte bis zu 75 Watt bereitstellen. Dazu wurde der 20polige ATX-Stecker durch einen 24poligen ersetzt. Auf den vier zusätzlichen Anschlusshülsen befinden sich nicht nur eine zuätzliche 12V-Leitung für die Grafikkarte, sondern auch eine 3.3V und eine 5V Leitung, womit der selten, aber doch immer noch ab und zu verwendete AUX-Stecker endgültig überflüssig werden sollte. Für Grafikkarten mit einer Leistungsaufnahme über 75W wurde eigens ein zusätzlicher, 6poliger Stecker entworfen, über den die Karte weitere 75W direkt vom Netzteil beziehen kann. Insgesamt darf eine PCI-Express Grafikkarte somit maximal 150W an elektrischer Leistung beziehen. Heutige Grafikkarten schöpfen diese Möglichkeit teilweise auch bereits voll aus, weswegen für den Nachfolgestandard PCI-Express 2.0 nebst doppelter Datenrate auch eine optionale Verdoppelung der Leistungsversorgung von Grafikkarten auf 300W eingeplant wurde.

Mit der Einführung von PCI-Express beziehen nun also alle leistungshungrigen Komponenten (CPU, Grafikkarte, Festplattenmotoren) ihren Strom von der 12V Leitung, sie wurde damit zum wichtigsten Leistungsmerkmal moderner Netzteile. Aus Sicherheitsgründen (Brandgefahr bei defekter Hardware) beschloss Intel im „Power Supply Design Guide“, dass die maximale Leistung, die eine Ausgangsleitung liefern kann, nicht mehr als 240VA betragen darf. Als Konsequenz davon dürfen einer 12V Leitung nicht mehr als 20A entnommen werden können. Da eine typische PC-Konfiguration heute aber häufig mehr als 20A auf 12V bezieht, mussten die Netzteilhersteller in Folge dessen unabhängig gesicherte 12V-Leitungen bauen. In der Praxis sieht das dann so aus, dass eine auf maximal 20A limitierte 12V Leitung die CPU speist (P4-Stecker), eine andere alle übrigen Komponenten.

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SLi / CrossFire
Die Entwicklung leistungsstärkerer Netzteile hätte bei rund 400W mit zwei 12V Schienen stagnieren können, hätte nVidia nicht 2004 das SLi-System wieder eingeführt. Dabei können sich zwei oder neuerdings auch vier Grafikchips die Arbeit an der Berechnung eines 3D-Bildes teilen. Baut man also zwei Grafikkarten in einen PC, muss das Netzteil für diese bis zu 150W zusätzlich Leistung bereitstellen. Sowohl rechnerisch als auch bei Messungen kommt man selten über 350-400W für die Leistungsaufnahme eines PCs mit einer CPU und zwei Grafikkarten (sofern nicht übertaktet). Das Problem ist nun aber, dass viele Netzteile unter 450W bei SLi-Systemen trotzdem arg in Verlegenheit geraten. Denn einerseits müssen sie praktisch die komplette Leistung, also einen Grossteil der 350-400W allein auf den 12V Schienen liefern können, wodurch schon einmal viele Vertreter dieser Leistungsklasse ausscheiden. Der zweite Haken bei der Verteilung der Last ist, dass die meistens Netzteile wie oben bereits erwähnt zwei 12V-Schienen besitzen, eine für die CPU und eine für den Rest, und dieser Rest kann in einem SLi-System die Grenze von 20A eben schnell einmal übersteigen.
Die Lösung des Problems ist nun eine dritte 12V Schiene, wovon die dritte nur für die Versorgung der sechspoligen Buchsen auf den Grafikkarten reserviert ist. Diese dritte Schiene kann relativ knapp bemessen sein, jede Karte bezieht die Hälfte ihrer Gesamtleistungsaufnahme (also 75W) aus diesem Stecker, bei zwei Grafikkarten also maximal 150W (wieder unter der Annahme, dass die Grafikkarten nicht übertaktet wurden). Somit reichen 13A für die dritte 12V Schiene aus. Die erste 12V-Schiene muss etwas mehr liefern, einerseits nochmals bis zu 13A welche die Grafikkarten über das Mainboard beziehen, andererseits müssen noch die Laufwerke und zusätzlich Hardware versorgt werden.

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SLi / CrossFire und Dual-CPU / Dual-Core
Mainboards für zwei CPUs und manche für Dual-Core-CPUs besitzen wegen dem erhöhten Strombedarf für die Versorgung der Prozessoren eine achtpolige Buchse, sie benötigen also ein Netzteil mit einem P8-Stecker. Die Stromhungrigste Single-Core XEON CPU von Intel besitzt ein TDP von 110W, die Stromhungrigste Dual-Core CPU eine von 130W. Meistens sind das ziemlich gute Richtwerte für die maximal benötigte Leistung, theoretisch kann sie kurzzeitig aber auch darüber liegen, insbesondere wenn man bedenkt, dass die Spannungswandler auf dem Mainboard auch noch eine Verlustleistung besitzen, die im TDP natürlich noch nicht enthalten ist. Bei zweimal 110W kommt man somit schon Nahe an die Grenze von 20A für eine 12V-Schiene, weshalb manche Netzteilhersteller sogar zwei 12V-Schienen nur für die Versorgung der CPUs bereitstellen.

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Quad-SLi
Richtiges Quad-SLi, mit vier Grafikkarten, gibt es heute noch nicht, obwohl einzelne Mainboards mit vier PEG-Steckplätzen erhältlich sind. Das Problem ist hardwareseitig die Verbindung der Grafikkarten untereinander (es können bei NVIDIA derzeit nur zwei Karten per Bridge verbunden werden, neuste ATI-Karten hingegen haben teilweise tatsächlich bereits zwei interne Bridge-Anschlüsse) andererseits besteht auch noch eine treiberseitige Limitierung. Was es allerdings gibt, ist ein SLi-Verbund zweier Grafikkarten, auf denen jeweils schon zwei Grafikchips enthalten sind, also konkret beispielsweise ein SLi aus zwei GeForce 7950 GX2. Vom Aspekt der Stromversorgung stellen zwei GeForce 7950 GX allerdings kein grösseres Problem dar, da sie wie normalen Grafikkarten eine Leistungsaufnahme unter 150W (pro Karte) besitzen (nVidia gibt konkret ein TDP von 143W an).

Overclocking
Obwohl dies wahrscheinlich nicht viele Leser anspricht (vor allem weil Overclocker eigentlich wissen sollten, was sie tun, und diese Lektüre nicht nötig haben sollten), wären noch ein paar theoretische Überlegungen zum Leistungsbedarf übertakteter Hardware genannt.
Noch vor einigen Jahren waren solche Überlegungen überflüssig, da CPUs und Grafikkarten so wenig elektrische Leistung benötigten, dass das Mehr durch Übertaktung nicht weiter ins Gewicht fiel. Heute ist dies allerdings anders. Nehmen wir an, ein Pentium Extreme Edition 965, der normal eine V-Core von 1.3V, einen Takt von 3.73GHz und ein TDP von 130W besitzt, wird bei einer V-Core von 1.65V auf 6GHz übertaktet, so errechnet sich nach der Formel TDP * (vcore1/vcore0)^2 * (Takt1/Takt0) ein neues TDP von rund 340W! Überflüssig zu erwähnen, dass hier schnell einmal ein Netzteil der limitierende Faktor werden kann, einmal ganz abgesehen von den Spannungswandlern auf dem Mainboard, die eine solche Mehrleistung von 200W wohl auch nicht ohne weiteres auf Dauer verkraften können.






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