Neue Technologien in der Chip-Kühlung und was die Presse daraus macht

Spektakulär klingende News mit reisserischen Überschriften zirkulierten in den letzten Monaten durch die vernetzten Weiten eines Subuniversums, wo jeder geist- und brotlose Möchtegern-Redakteur dem anderen abschreibt: der Onlinepresse. Jeder hat dieses Spiel wahrscheinlich schon mal in der Grundschule praktiziert: Einer flüstert dem anderen eine Geschichte ins Ohr, dieser sagt es dem nächsten und so weiter, bis am Schluss mit allem Vergessenen und Dazugedichteten eine Fassung entsteht, die keinen grossen Zusammenhang mehr mit dem Original hat. Dazu kommt, dass in der Onlinemedienlandschaft aus Zeitgründen Informationen oftmals übernommen werden, ohne sie kritisch zu durchleuchten. Es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis einmal die News die Runde machen wird, dass von einem Weltraumteleskop aus ein neuer Kontinent auf der Erde entdeckt worden sei. Manchmal muss der gebildete Leser den Eindruck gewinnen, in gewissen Onlinemagazinen sei an 365 Tagen im Jahr erster April. Die Lücken zwischen den Irrtümern werden durch offensichtliche und Schleichwerbung aus Pressemails aufgefüllt.

Den Anfang machte im noch jungen Jahr 2007 die Meldung eines Bahn brechenden neuen Kühlsystems auf Basis von Ionenwinden. Die News von Golem vom 4. 1. zu diesem Thema war noch sehr zurückhaltend formuliert und entsprechend kurz. Computerbase wusste am 5. 1. demgegenüber schon fast eine ganze Bildschirmseite voll zu berichten. Allerdings haben sie nicht Golem abgeschrieben, sondern einem Blog von Dailytech, so dass sich durch die inhaltlich weitgehend übernommene Einleitung der Fokus auf einmal auf Alternativen zu derzeit grossen Kühlkörpern auf Grafikkarten und CPUs verlagerte, die sich aufgrund ihrer immensen Verlustleistung mit dieser Technik keinesfalls kühlen lassen, zumindest nicht Platz sparender als bisher. Denn egal welcher Kühler im Endeffekt zum Einsatz kommt: Dreistellige Wattzahlen müssen dabei aus dem Gehäuse befördert werden. Wenn als Wärmetransportmedium dabei Luft zum Einsatz kommt, geht das nicht ohne eine gewisse Grösse der Kühlfläche und / oder Lärmbelastung. Eine klare Ente also seitens CB, mal ganz abgesehen davon, dass der zuständige Redakteur noch einen eigenen Irrtum hineinformulierte, indem er über sein physikalisches Unwissen stolperte: So schreibt er, dass der Strombedarf der Kühllösung derzeit noch zu hoch wäre. Allerdings beträgt die Leistungsaufnahme des Prototyps angeblich nur 0.1W (bei einer Spannung von 8.5kV), was eigentlich einen sehr geringen Strombedarf ergibt, der sich aber wiederum nicht vergleichen lässt, ohne Angabe der Wärmemenge, die pro Sekunde abgeführt wird.

Das zweite ach so Welt bewegende Buschfeuer ist irgendwann um den 27. 2. entfacht. 3DCenter datierte ihre entsprechende News zwar mit dem 26. 2., dies aber aufgrund einer anderen Zeitrechnung des betreffenden Redakteurs, sie erschien auch dort erst am 27. Eine Firma namens Novel Concepts soll eine neue Basis für Heatspreader erfunden haben, welche die Wärme um Faktor 20 effektiver ableiten soll als Kupfer. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund jenseits allen physikalischen Verständnisses schloss pressetext.austria daraus, dass damit ausgestatte Prozessoren keine aktive Kühlung mehr benötigen würden. Diese Vorlage wurde denn von Winfuture auch fraglos übernommen und dabei grosszügig um blumige Irrtümer aufgrund unpräziser Formulierungen ergänzt („Zwar kann die Verlustleistung von Prozessoren dank optimierter Herstellungsverfahren stetig reduziert werden, doch insgesamt nehmen die Anforderungen an Kühlungskonzepte immer weiter zu“ – Ein Widerspruch in sich). Ein kleiner Fehler für Winfuture, ein grosser Fehler für CB (wieder Bildschirmseitenformat). Tatsache ist, dass ein Heatspreader immer nicht mehr und nicht weniger als ein störender Faktor bei der Wärmeabführung darstellt, da statt einem Materialübergang mit schlecht wärmeleitender Paste dazwischen zwei anfallen. Gar kein Heatspreader wäre für die Kühlung also immer noch besser als ein neuer Heatspreader. Nach altem System (Heatspreader aus Kupferlegierung) beträgt der Verlust in Form von Temperaturdifferenz zwischen CPU und Kühler einige Kelvin. Das ist immerhin etwas, aber so wahnsinnig viel auch wieder nicht. Mit dem neuen Heatspreader kann diese Temperaturdifferenz etwas gesenkt werden (viel nicht, da der Übergang zwischen CPU und Heatspreader immer noch in die Rechnung einfliesst).

Unter dem Strich also mal wieder viel Lärm um nichts, den man genauso wenig bekämpfen kann, wie der von asiatischen DC-Lüftern in heutigen Rechnern. Erst ein Heatspreader so gross wie eine Tower-Wand, die von Ionenwinden zwangskonvektioniert wird, könnte Abhilfe schaffen. Günstiger wäre es dann aber zweifelsfrei eine etwas genügsamere CPU zu kaufen.




Veröffentlicht:

Kategorie:
Kommentare: 0